Die Telekom treibt die IP-Umstellung ihrer Anschlüsse voran, will den Prozess bis Ende des laufenden Jahres abschließen. Das endgültige Aus für ISDN liegt jedoch noch weit in der Zukunft, viele Unternehmen wollen sich den richtigen Zeitpunkt für Technologieanschaffungen nicht diktieren lassen.
Das Echo aus dem Markt war wenig positiv. Als die Deutsche Telekom vor einigen Jahren ihre Strategie vorstellte, ISDN komplett abschalten und alle Anschlüsse bis Ende 2018 auf IP umstellen zu wollen, hagelte es viel Kritik seitens der Kunden, des Fachhandels sowie einiger Hersteller. Besonders die Ankündigung, im Zweifelsfall alte Verträge aufzukündigen, wurde angekreidet, aber auch die Aussicht, bald nur noch über IP zu kommunizieren, traf in vielen Branchen nur auf wenig Gegenliebe. Immerhin hatte die Internettelefonie noch in den frühen 2000er Jahren mit zahlreichen Kinderkrankheiten zu kämpfen, galt als wesentlich unsicherere technologische Alternative zu ISDN sowie analogen Anschlüssen, die viele Dienste wie Fax, EC-Terminals oder Notrufsysteme nicht oder nur mit einigen Abstrichen unterstützt.
Seitdem hat sich jedoch viel getan, IP-Telefonie konnte qualitativ große Sprünge machen, die Kritik an der Technologie ist leiser geworden, der Umstellungsprozess des Bonner Netzbetreibers schreitet voran. Im vergangenen Mai stellte Klaus Müller, Leiter Strategische Entwicklung und Transformation bei der Telekom, aktuelle Zahlen des Großprojektes vor: Demnach habe der Anbieter bereits 90 Prozent der gesamten Breitbandanschlüsse umgestellt, rein bei Geschäftskunden seien es immerhin schon 85 Prozent. „Wir halten daran fest, dass wir die Umstellung bis Ende 2018 schaffen“, bekräftigte Müller.
Nach wie vor Unsicherheit
Gleichbedeutend mit einem getimten Umbruch und dem baldigen ISDN-Aus in deutschen Unternehmen sind die Zahlen jedoch nicht. Denn bei vielen Geschäftskunden herrsche nach wie vor „Unsicherheit beim Thema IP-Umstellung“, wie Markus Michael, Geschäftsführer des Telefonanlagen-Anbieters Byon, erklärt. Die Verantwortlichen und Nutzer würden sich im Zuge der Migration Sorgen um Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit machen. „Vielleicht klappt etwas nicht. Gespräche mit Kunden könnten plötzlich abbrechen. Möglicherweise ist das Unternehmen eine Weile nicht erreichbar oder die Kollegen kommen mit der neuen Technik nicht klar.“
Viele Entscheider zögern die Umstellung daher so lange wie möglich hinaus oder überbrücken ihre vorhandene Infrastruktur – wenn es schnell oder kostengünstig gehen muss – mit Lösungen wie Media Gateways. Die Gründe für die bis jetzt spürbare Zurückhaltung im Markt sind aber nicht zwangsläufig technischer Natur. „Es hat eher etwas mit liebgewonnen Gewohnheiten zu tun“, erklärt Stephan Leschke, Vorstandsvorsitzender bei Ferrari Electronic, gegenüber funkschau. „Veränderung schafft Aufwand.“ Und gerade im Mittelstand ist es häufig eine Frage der möglichen Investitionen und der vorhandenen Ressourcen, wie auch Florian Buzin, CEO bei Starface, bestätigt. „Mitunter haben Unternehmen einfach nicht die Zeit oder das Personal für ein großes Migrationsprojekt, bei dem die gesamte interne Anlagentechnik neu aufgesetzt und alle Rufnummernpläne neu definiert werden müssen.“ Darüber hinaus gebe es durchaus Betriebe, die auf
kritische analoge Komponenten angewiesen sind – „etwa Lichtrufsysteme im Gesundheitswesen“ – und für deren Migration keine dedizierten Best Practices verfügbar sind.
„Es besteht Handlungsbedarf“
Primär steht in Migrationsprojekten aber immer auch die Frage im Raum, wie alt die aktuell genutzte Kommunikationsinfrastruktur ist und ob sich der Umstieg auf eine IP-Variante überaupt schon lohnt – oder ob die „sanfte Migration“ via Media Gateway vorerst nicht die bessere Wahl ist. „Die Unternehmen lassen sich durch die Abschaltung von ISDN nicht gerne unter Druck setzen“, sagt Pascom-CEO Mathias Pasquay. „Warum sollte ich die vor wenigen Jahren gekaufte oder aufgerüstete Anlage frühzeitig austauschen? Meiner Meinung nach warten die ITK-Verantwortlichen den normalen Lebenszyklus der Anlage ab und bewerten die Situation dann neu.“ Zu beachten ist dabei letztlich auch, dass sich die Migration in den meisten Unternehmen nicht nur über TK-Anlage und gegebenenfalls die Endgeräte erstreckt, sondern tief in das eigene Netzwerk und dessen Sicherheitssysteme reicht. „Entgegen der landläufigen Meinung, dass es an den Providern scheitert, sind es die Netzwerke der Unternehmen, die oft nur auf einfachen Datentransfer und nicht auf die Übermittlung von HD-Streams ausgelegt sind“, sagt Leschke. Hier bestehe oft noch Handlungsbedarf. Dabei ist das Firmennetzwerk elementare technologische Basis von VoIP, wie Markus Michael von Byon besonders in Hinblick auf Sprachqualität und Verfügbarkeit unterstreicht: „Sofern die Datenleitungen innerhalb des Unternehmens für die Verwendung von IP-Telefonie richtig konfiguriert sind, gibt es keine größeren Einschränkungen als mit ISDN-Leitungen.“ Eine Herausforderung in puncto Sicherheit bestehe darüber hinaus darin, dass bei VoIP spezielle Anpassungen der Firewall nötig sind. Die Ports, über die die Telefonanlage kommuniziert, müssten in der Firewall entsprechend konfiguriert werden, sonst verhindere diese eine reibungslose Kommunikation.